Thurnauer Erklärung
Nordbayern und die Metropolregion Nürnberg können auf eine lange, reiche, besonders diversifizierte und global relevante industrielle Vergangenheit zurückblicken: Mühlen und Protoindustrien, Metallverarbeitung und Maschinenbau, elektrotechnische und chemische Industrie, Textil-, Porzellan- und Glasindustrie, Bergbau, Stahlverhüttung, Brauereiwesen, Spielzeug- und Schuhindustrie prägten und prägen – neben weiteren Branchen – die Region und die in ihr arbeitenden und lebenden Menschen. Dabei spielte die geographische Lage immer eine besondere Rolle. Ausgehend von bereits in der Vormoderne etablierten europäischen Verkehrswegen über das im 19. Jahrhundert ausgebaute Eisenbahnnetz bis hin zur Grenzsituation am „Eisernen Vorhang“ nach dem Zweiten Weltkrieg sowie deren Ende.
Der in den letzten Jahrzehnten einsetzende, vielfältig bedingte Strukturwandel führte zur Transformation aller Industriezweige. Dieser Wandel stellt die Region vor große Herausforderungen, öffnet aber auch Chancen für eine wirtschaftliche Neuausrichtung.
Diese Entwicklungen wie auch das industriekulturelle Erbe selbst sind bislang nur punktuell in einer regionalen oder lokalen Erinnerungskultur verankert und aus wissenschaftlicher Sicht nicht adäquat erforscht.
Nicht zuletzt aufgrund dieses Desiderats markierte das Thema „Industriekultur“ im Rahmen der Bewerbung Nürnbergs um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 die zentrale Themenklammer für Nürnberg und die Metropolregion. Während der Bewerbungsphase entstand hierzu ein interdisziplinäres Netzwerk, das im Sinne der inhaltlichen und strukturellen Nachhaltigkeit mit Projekten und Veranstaltungen weiterhin aktiv ist.
Die am Projekt beteiligten Institutionen setzen sich nun zum Ziel, die Industrieregion Nordbayern als Industriekulturregion zu etablieren. Das reiche industriegeschichtliche Erbe der Metropolregion soll erforscht, sichtbar gemacht sowie vermittelt und dadurch der aktuell laufende Strukturwandel mitgestaltet werden.
In einer Industriekulturregion Nordbayern sollen
- bereits bestehende Angebote im Bereich Industriekultur miteinander vernetzt und gemeinsam sichtbar gemacht werden,
- neue innovative Bildungsformate etabliert und sowohl im Bereich Schule als auch in der Erwachsenenbildung vermittelt werden, auch vor dem Hintergrund der Fachkräftegewinnung
- neue touristische Anreize in der Region geschaffen werden,
- die Geschichte der Industrieregion Nordbayern wissenschaftlich erforscht und die Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,
- diese Forschungen partizipativ und teilhabeorientiert betrieben werden und den Akteurinnen und Akteuren der (ehemaligen) Industriezweige eine Stimme gegeben werden,
- durch einen partizipativen Ansatz die Menschen in der Region in die Vermittlung von Industriegeschichte einbezogen werden,
- Netzwerke und Begegnungsräume für die beteiligten Akteure aus den Bereichen Forschung, Museum, Tourismus und Wirtschaft geschaffen werden,
- der Anschluss der Industriekulturregion Nordbayern an größere Verbünde wie die European Route of Industrial Heritage hergestellt und das industriegeschichtliche Erbe Nordbayerns weit über die Region hinaus bekannt gemacht werden.
Die beteiligten Institutionen setzten in den zurückliegenden Jahren für die Vorarbeiten zur Etablierung einer Industriekulturregion Nordbayern Expertise und Ressourcen ein. Um die Akteure der Region zu vernetzen und die vielfältigen Ziele des Projekts zu erreichen, sollen nun in einem nächsten Schritt stabile Strukturen eingerichtet und die hierfür notwendigen Ressourcen eingeworben werden.
Die Thurnauer Erklärung mit den Kernpunkten der Initiative wurde am 7. Oktober 2022 im Institut für Fränkische Landesgeschichte auf Schloss Thurnau vorgestellt. Zahlreiche Akteurinnen und Akteure aus der Landes- und Kommunalpolitik sowie aus dem Kultur- und Wissenschaftsbereich sagten bereits ihre Unterstützung für das Projekt zu.
Initiatoren der Thurnauer Erklärung:
Institut für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth | Museum Industriekultur Nürnberg | Industriemuseum Lauf | Porzellanikon/Staatliches Museum für Porzellan
Imagefilm zur Industriekulturregion Nordbayern
Erstellt von Dr. Adrian Roßner, IFLG
Redaktion: Benedikt Martin Ertl